Seit 1. August 2022 können Cannabisarzneimittel direkt von der Ärztin oder vom Arzt ohne Ausnahmebewilligung des BAGs verschrieben werden. Wo finde ich jemanden, der mir bei der Verschreibung hilft, und woher bekomme ich Cannabis für die medizinische Anwendung? Das sind die Fragen, die sich die Betroffenen stellen. Cannabis-Patientinnen und Patienten möchten endlich die Illegalität verlassen und viele neue warten auf den Zugang und möchten es gerne ausprobieren. Leider brauchte die Umsetzung des neuen Gesetzes noch Geduld und wohl ein wenig Eigeninitiative. Hier finden Sie alles, was wir bis jetzt herausgefunden haben.
Bis anhin mussten sich in der Schweiz über 100'000 kranke Menschen selber illegal mit Cannabis behandelt. Das schätzt das Bundesamt für Gesundheit. Nur einige tausend beziehen Cannabisarzneimittel aus der Apotheke – neu nun ohne Bewilligung. Diese Produkte sind aber immer noch limitierten und teuer. Eine Therapie ausgerichtet auf die eigenen Beschwerden mit verschiedenen Einnahmeformen und Cannabissorten ist noch nicht möglich. Das sollte sich jetzt aber ändern.
Die Verantwortung für die Behandlung liegt nun beim ärztlichen Fachpersonal. Die Ärztin oder der Arzt kann Cannabis über eine Magistralrezeptur verschreiben. Dieses zulassungsbefreite Cannabisarzneimittel wird dann in der Apotheke für die Patientin bzw. den Patienten nach ärztlichem Rezept hergestellt. Das schreibt die Schweizerische Gesellschaft für Cannabis in der Medizin in der Ärztezeitung. So sollten zukünftig also individuell angepasste Cannabisextrakte erhältlich sein. Und hoffentlich werden auch andere Einnahmeformen wie Salben oder Zäpfchen möglich. Die Betroffene wünschen sich auch wie in Deutschland Cannabisblüten zum Vaporisieren. Der Entscheid, ob diese Einnahmeform in der Schweiz medizinisch verfügbar gemacht wird, liegt im Moment bei den Kantonsapothekerinnen und -apotheker. Sobald wir mehr wissen, informieren wir.
Das Problem ist nun, dass die Ärztinnen und Ärzte ein ungenügendes Wissen über die medizinische Anwendung haben. Das ist verständlich. In ihrer Ausbildung lernen sie noch nichts über Cannabis in der Medizin. Das neue Gesetz setzt nun aber auf deren Fachwissen. Sie müssen auf der Magistralrezeptur genaue Angaben zu den Inhaltstoffen (z.B. THC/CBD-Verhältnis) machen und wissen nicht, welche Cannabisarzneimittel sich für welche Beschwerden eignen. Das sind schwierige Voraussetzungen für die Verschreibung und hält viele davon ab, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie fühlen sich unsicher und scheuen den Aufwand, sich das Fachwissen anzueignen. Ohne das Engagement der Ärztinnen und Ärzte ist der Zugang aber nicht möglich. Auf der anderen Seite sind die kranken Menschen, die sich schon seit Jahren selber helfen und genau wissen was sie tun. Sie haben viel Erfahrung. Diese Patientinnen und Patienten sind nun auf ärztliche Unterstützung angewiesen. Hier muss also ein verständnisvolles Gespräch gesucht werden. Gerne geben wir Ihnen ein paar Tipps, wie Sie vielleicht mit Eigeninitiative zu einem Cannabisarzneimittel kommen.
Mit Erfahrung
Versuchen Sie den Arzt ihres Vertrauens, ins Boot zu holen und erklären Sie ihm, was sie brauchen. Informieren Sie ihn über die aktuelle Situation. Leider ist den Betroffenen meistens auch nicht wirklich klar, welche Dosierung und Inhaltsstoffe ihre «selbstgemachten Cannabisarzneimittel» haben. Im Idealfall könnte man «sein Medi» testen lassen. Die Ärztin oder der Arzt stellt eine Magistralrezeptur für das Cannabisarzneimittel mit den von ihnen gewünschten Inhaltsstoffen aus und in der Apotheke kann es dann nach den Angaben gemischt werden. Das ist nun laut Gesetz möglich. Wo und wie Sie den Arzt und die Apotheke finden, können wir leider noch nicht sagen. Nutzen Sie die Chance und fragen Sie bei ihren Ärztinnen und Ärzten und in ihrer Apotheke nach.
Ohne Erfahrung
Patientinnen und Patienten, die noch keine Erfahrung mit Cannabis haben, können beim Arztbesuch auf die Therapieempfehlungen der Fachorganisation SGCM-SSCM verweisen. Diese sind vom BAG und der Swissmedic anerkannt und geben Sicherheit bei der Verschreibung. Die SGCM hat auf Grundlage bestehender Studienlage und klinischen Erfahrung, Empfehlungen für die Therapie mit Cannabisarzneimitteln ausgearbeitet. Diese umfassen sowohl allgemeine Informationen und Aspekte in der Anwendung, als auch konkrete Therapieempfehlungen für spezifische Krankheitsbilder, wie Fibromyalgie, Spastik bei Multipler Sklerose, Trigeminusneuralgie, Restless Legs Syndrom und Morbus Parkinson. Weitere Empfehlungen für die Bereiche neuropathische Schmerzen, Onkologie/Palliative Care, Epilepsie und Tourette-Syndrom sind in Erarbeitung. An der CB Expo im September in Zürich auf dem Medical-Cannabis-Gesetz-Podium positioniert Professor Dr. Brenneisen die SGCM als zukünftige Anlauf- und Koordinationsstelle für alle Fragen zum Thema.
Mit einer Krebserkrankung
Das Patientenregister Swiss Cannabis Oncology (kurz: Swiss CanOn) untersucht die Verwendung von medizinischem Cannabis als Zusatz zur Standardbehandlung bei der symptomatischen und palliativen Behandlung von erwachsenen Krebspatientinnen und -patienten. Das Patientenregister sammelt sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Daten aus der ärztlichen Behandlungsroutine, vor allem bei ambulanten Patientinnen und Patienten. Melden Sie sich hier und fragen Sie nach Informationen und verschreibenden Ärztinnen und Ärzten.
Viele erzählen uns, dass sie trotz des neuen Betäubungsmittelgesetzes nicht ernst genommen werden. Das braucht noch Zeit. Beharren Sie aber höflich und bestimmt auf ihr Recht und verweisen Sie auf das neue Gesetz. Dieses bestätigt ganz klar den medizinischen Nutzen. Und bitten Sie Ihre Ärztinnen und Ärzten sich weiterzubilden. Es gibt heute gute Möglichkeiten. Am 21. und 22. Oktober findet in Basel die 12. IACM Conference on Cannabinoids in Medicine statt. Dort kann man sich über die medizinischen Anwendungen von Cannabis informieren und die wichtigen Expertinnen und Experten zum Thema zu hören. Und diesen Sommer wurde auch wieder die Interprofessionelle Fortbildung Cannabis als Medikament «From plant to patient» von der Ostschweizer Fachhochschule durchgeführt. Es gibt noch keine neuen Daten, aber bei Interesse fragen Sie doch nach einer Wiederholung der interessanten Fortbildung.
Haben Sie einen Weg gefunden? Erhalten Sie legale Cannabisarzneimitteln? Welche sind es? Wie sind Sie vorgegangen? Dürfen Sie uns ihre Ärztin oder ihren Arzt nennen? MEDCAN sammelt Informationen und gibt sie den Patientinnen und Patienten weiter. So können wir uns in der Anfangsphase des neuen Gesetzes gegenseitig helfen, die Ärztinnen und Ärzte unterstützen und die Wissenlücken schließen. Cannabis ist für viele chronisch Kranke einen Segen. Es kann gegen verschiedenste Krankheiten und Beschwerden angewendet werden. Aus diesem Grund sind auch noch nicht für alle Indikationen Studien über die Wirksamkeit und Dosierung vorhanden. Weltweit gibt es aber unzählige Erfahrungsberichte und Verlaufsstudien, die über erfolgreiche Behandlungen ohne langfristige Nebenwirkungen berichten. Gerade in der Substitution von Opiaten und in der Schmerztherapie ist Cannabis sehr hilfreich.
Das neue Betäubungsmittelgesetz ist da und wie aufgezeigt, sind noch Fragen offen. Wir hoffen sehr, dass sich diese in den nächsten Monaten beantworten. Abonnieren Sie unseren Newsletter, folgen Sie uns auf Social Media oder kommen Sie an unsere Patiententreffs. Dort geben wir die neuesten Informationen weiter. Eine der grössten Sorgen der Betroffenen ist aber immer noch der Preis. Werden die Cannabisarzneimitteln von den Krankenkassen nicht bezahlbar, entsteht ein Zweiklassengesellschaft und nur die Reichen können sich die Produkte leisten. Für kranke Menschen ist es schwierig, Medikamente selber zu bezahlen. Derzeit werden Cannabisarzneimittel nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet. Das wird sich wohl auch nicht so schnell ändern. Deswegen fordert MEDCAN den Eigenanbau für Patientinnen und Patienten. Eine wissenschaftliche Erfassung der Erfahrungen des Selbstanbaus und der Selbstmedikation würde für die Zukunft auch Evidence schaffen.