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Ava

Jahrgang: 2018
Diagnose: Periventrikuläre Leukomalazie (PVL) / Zerebralparese
«Ava ist eines von derzeit acht Kleinkindern, das in der Schweiz erfolgreich mit THC behandelt wird. Es könnten so viel mehr sein.»
«Die Hürden, bis man ein Kind mit THC-Tropfen behandeln darf, sind viel zu hoch.» Rebekka L., Mutter von Ava
Ava
Patientengeschichten

Mama Rebekka füllt die Pipette auf und träufelt Ava drei Tröpfchen des Cannabis-Medikaments Dronabinol in den Mund. Dreimal täglich erhält das kleine Mädchen im Moment diese natürliche Medizin: Ihr Zustand hat sich seitdem stark gebessert. Doch vor vorne:

Ava und ihre Zwillingsschwester Lia wurden sehnlichst erwartet: «Unser ganzes Umfeld und auch die beiden älteren Geschwister freuten sich riesig, als ich nochmal schwanger wurde. Zwillinge! Wie schön sich vorzustellen, wie die beiden zusammen aufwachsen, spielen und lernen würden», erzählt Mama Rebekka L. Doch leider meint es das Schicksal anders. Die Zwillingsmädchen kommen viel zu früh auf die Welt. Weil sie noch viel zu klein sind, werden die Mädchen auf der Neugeborenen-Station künstlich mit Sauerstoff und einer Magensonde versorgt. Nach zwei Tagen der Schock: Obwohl sie die Grössere war, kollabieren Avas Lungen am zweiten Tag nach der Geburt. «Wir machten uns solche Sorgen. Rebekka und ich wechselten uns an den Brutkästen unserer zwei Mädchen ab. Sie waren so winzig, aber haben tapfer gekämpft und wollten leben», erinnert sich Papa Martin Z. (49).

Eine gute und eine schlechte Nachricht

Rund eine Woche nach der Geburt führen die Ärztinnen und Ärzte einen routinemässigen Schädelultraschall bei den Zwillingen durch. Die gute Nachricht: Lia ist gesund. Die schlechte Nachricht: Bei Ava zeigt der Ultraschall Auffälligkeiten. Es ist ein schwarzer Fleck zu sehen, der Tag für Tag grösser wird. «Der Fleck wurde immer grösser. Die Ärztinnen und Ärzte konnten nichts machen. Wir alle konnten nur hilflos zusehen, wie Avas Hirn Schaden nahm», blick Rebekka traurig zurück. Weitere Tests ergeben, dass Ava an Zystischer Periventrikulärer Leukomalazie (siehe Box unten) erkrankt ist. Entweder vor oder nach der Schwangerschaft wurden einige Teile von Avas Hirn nicht richtig mit Sauerstoff versorgt und die sogenannte weisse Substanz geschädigt. Für die Familie und ihr Umfeld eine Schreckensbotschaft, die viele Fragen aufwirft: Wie stark würde Ava behindert sein? Wie würde sie sich entwickeln?

In den Folgewochen und -monaten zeigen sich die Folgen von Avas Geburtsfehler: Während ihre Zwillingsschwester lernt, selbstständig zu sitzen, zu essen, zu krabbeln und schliesslich zu laufen, hat die kleine Ava beidseitig motorische Störungen und ist kognitiv beeinträchtigt. Sie hat ausserdem eine erhöhte Muskelspannung und als Folge davon – sehr wahrscheinlich schmerzlose – Spastiken. Zudem ist Ava sehbehindert und kann ihre Umwelt nur undeutlich in Schwarz-Weiss wahrnehmen. «Für uns als Familie, insbesondere für mich, war es anfangs sehr schwer zu akzeptieren, dass unsere beiden Zwillingsmädchen wohl sehr unterschiedliche Leben führen würden. Das Wichtigste für uns aber ist, dass sie beide glücklich werden», sagt Rebekka.

Bestmögliche Förderung für Ava

Und dafür tut die Familie alles. Ava erhält von Beginn an zu Hause Physiotherapie, Ergo- und Low-Vision-Therapie. Bei Letzterer  wird gezielt ihr vorhandenes Sehvermögen gefördert. 2019 überrascht die SRF-Sendung «Happy Day» die Familie und schenkt der Familie mehrere Tageslichtlampen, die alle wichtigen Räume auf angenehme Weise taghell ausleuchten. Dies war für den Fortschritt von Avas Low-Vision-Therapie sehr hilfreich. Rebekka und Martin üben ebenfalls täglich mit Ava: «Für Avas Entwicklung ist es entscheidend, dass ihr Hirn so oft wie möglich durch äusserlich Reize – seien es Bewegungen, Worte, Musik oder Sehübungen – stimuliert wird», sagt Martin. Und die Therapie hilft: Ava entwickelt sich in ihrem Tempo, macht kleine Fortschritte – während ihre Zwillingsschwester Lia ihr in Riesenschritten bei der Entwicklung davoneilt. 

Pionier-Familie in der Cannabis-Therapie…

Schon früh entscheiden sich die Eltern, es für Ava mit einer Cannabis-Therapie zu versuchen. Während sie damit bei Ärztinnen und Ärzten grösstenteils auf Unwissen und Unverständnis stossen, hilft ihnen die Egg-Apotheke in Muri (AG) weiter. Ab dem Alter von zwei Jahren gaben Rebekka und Martin ihrer Ava mehrmals täglich CBD-Tropfen gegen ihre Spastiken – mit Erfolg. Seit Herbst 2021 bekommt Ava zudem das THC-haltige Dronabinol verabreicht. Um Ava legal mit dem Medikament therapieren zu können, haben die Eltern Avas Neurologin überzeugt, ein Gesuch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu stellen. Die Einnahme von Dronabinol hat sehr positive Auswirkungen auf Avas Gesundheitszustand: Ihre Spastiken haben durch die Behandlung nachgelassen, sie ist allgemein ruhiger geworden und auch Stuhl lassen, das für Kinder mit ihrer Diagnose oft schwierig ist, hat sich vereinfacht. «Es braucht unglaublich viel Eigeninitiative und Durchhaltewillen, um ein Kleinkind mit Cannabis therapieren zu dürfen. Informationen gibt es kaum, die Forschung steckt wortwörtlich erst in den Kinderschuhen. Dabei ist das Potenzial riesig», erzählt Rebekka von ihren Erfahrungen.

…und beim Crowdfunding

Weil Rebekka und Martin nichts unversucht lassen wollen, um den Gesundheitszustand von Ava zu verbessern, forschten sie nach und fanden eine Stammzellentherapie in Bangkok / Thailand. Nur wie sollten sie die 36'000 Dollar teure Behandlung bezahlen? Die Familie startete 2019 kurzerhand ein Crowdfunding und innerhalb von zehn Tagen kam der Betrag zusammen. Ihre Familie, Freund*innen, Bekannte, Menschen aus dem Dorf, aus der Umgebung oder Unbekannte, die über viele Ecken von ihrer Geschichte gehört hatten, spendeten. «Ein uns fremder Mann aus dem Dorf stand beispielsweise mit einem Couvert mit einer Spende von 2000 Franken vor unserer Tür» erinnert sich Rebekka und ihr kommen fast die Tränen der Rührung. Und auch sonst bekommen wir viel Unterstützung. Nachbar*innen fragen z. B., ob wir auch etwas brauchen, wenn sie einkaufen gehen. Diese Hilfe schätzen wir sehr.»

Es geht vorwärts mit Ava

Aufgrund der Corona-Pandemie und der strengen thailändischen Einreisebestimmungen konnte Rebekka erst im Frühjahr 2022 mit Ava zur Stammzellentherapie nach Thailand reisen. Die ersten zehn Tage verbrachten die beiden in Corona-Quarantäne auf der Urlaubsinsel Phuket. Anschliessend erhielt Ava insgesamt acht Mal im Abstand von drei Tagen adulte (erwachsene) Stammzellen – insgesamt rund 1.6 Millionen. Die Stammzellen wurden ihr fünfmal per Lumbalpunktion im Lendenwirbelbereich und dreimal intravenös verabreicht. Sie sind in der Lage, Haut-, Blut-, Muskel-, Knochenzellen und vieles mehr zu bilden. Und sie können auch zu Neuronen im Gehirn werden – die grosse Hoffnung für Ava.

Neben der Stammzellentherapie wurde Ava in der thailändischen Spezialklinik intensiv mit Physio-, Ergo-, Visio- und Wassertherapie gefördert. «Der Aufenthalt in Thailand war für uns beide anstrengend, aber auch unglaublich wertvoll. Ava kann jetzt greifen, den Kopf heben, ihren Rumpf besser kontrollieren und hat kognitive Fortschritte gemacht. Sie ist die gleiche Ava und trotzdem eine neue Ava», schwärmt Rebekka. Gerade in den Wochen nach der Rückkehr aus Thailand hat Ava tagtäglich weitere Fortschritte gemacht. Auch die Umstellung auf proteinreiche, zuckerfreie Nahrungsmittel tut ihr gut.

Nach bangem Warten hat die Familie rund drei Monate nach der Stammzellentherapie einen der raren Plätze in der neurologischen Kinder-Reha-Schweiz in Affoltern, die zum Universitäts-Kinderspital Zürich gehört, erhalten. Dies war extrem wichtig, denn die ersten Monate nach einer Stammzellentherapie sind sehr wertvoll für den weiteren Therapiefortschritt. Nach einer kräftezehrenden Eingewöhnungsphase, bei der Rebekka und Martin sich bei Ava in der Klinik abwechselten und Freund*innen und Familie bei der Betreuung ihrer anderen drei Kinder einsprangen, hat sich das kleine Mädchen eingewöhnt. Die intensive Rundum-Förderung trägt Früchte: Ava hat kürzlich zum ersten Mal selbstständig einen Cracker gegriffen und gegessen.

Wünsche für die Zukunft

Dank der Therapiefortschritte und der Cannabis-Therapie hat die Familie die Hoffnung, dass sich Ava Zustand weiter positiv entwickelt. Sie würden die Politik gerne mehr in die Pflicht nehmen: «Es wäre schön, wenn es Eltern wie uns erleichtert werden würde, eine Therapie mit Cannabis mit und für ihr Kind auszuprobieren. Auch was die medizinische Begleitung durch Ärzte und Ärztinnen angeht, besteht grosser Nachholbedarf. Ausserdem wären mehr Reha-Therapieplätze für Kinder wie unsere Ava nötig. Nur fehlt der politische Wille, Menschen wie Ava angemessen zu begleiten und zu betreuen. Umso wichtiger ist es, dass Organisationen wie medcan.ch gibt, die den Kampf für uns führen!»

«Unser Beispiel soll anderen Familien Mut machen, es für ihr Kind auch mit einer Cannabis-Therapie zu versuchen.»

Rebekka L., Mami von Ava

Nehmen Sie an Avas Leben teil oder spenden Sie für den behindertengerechten Umbau des Familienhauses:
www.4ava.ch

Was Ava sonst noch erlebt, erfahren Sie auch auf Facebook:
www.facebook.com/4ava.ch

Wissenswertes zu Zystischer Periventrikulärer Leukomalazie (PVL)? Bei ungefähr 5 von 100 Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.5 kg – was sowohl bei Ava als auch bei ihrer Zwillingsschwester Lia der Fall war – tritt eine Periventrikuläre Leukomalazie auf. Durch Sauerstoffmangel in der Gebärmutter oder kurz nach der Geburt wird die sogenannte weisse Substanz im Gehirn geschädigt. Was ist eine Periventrikuläre Leukomalazie? Bei betroffenen Kindern wie Ava kommt es zu unterschiedlich ausgeprägten Störungen der Körpermotorik. Oft sind Beine und Arme betroffen und die Kinder haben Spastiken. Wie Ava haben Kinder mit PVL zudem häufig kognitive Einschränkungen und sind teils schwer sehbehindert. Ihre Entwicklung ist nicht vorhersehbar – umso wichtiger sind die intensive Therapie und Förderung.