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André

Diagnose: ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung)
«In Amsterdam stieg mir zum ersten Mal der Duft der Cannabis-Sorte Sativa in die Nase. Mit einem Schlag wusste ich: Das ist es, was mir helfen kann.»
«Meine ADHS-Diagnose erhielt ich von einem Verkehrspsychologen.»
André
Patientengeschichten

Schon als Schulkind habe ich gewusst, dass ich anders bin als die anderen und dass mit mir ‘etwas nicht ganz stimmt’. Innerlich war ich immer angespannt, kam nicht zur Ruhe, lief immer im Turbomodus. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie schwierig es ist, sich in so einem Zustand zu konzentrieren. Trotzdem habe ich die Sekundarschule abgeschlossen und eine Lehre zum Metalldrücker gemacht. Den ersten Mal in Kontakt mit Cannabis kam ich mit rund 18 Jahren. Meine Jungs und ich besorgten uns Blüten in den «Hanflädeli», die damals noch existierten. Mein Ziel war schon damals nicht, bekifft zu sein, sondern einfach etwas runterzufahren. Mich nicht immer «wie auf 180» zu fühlen.

Ein Cannabis-Aha-Erlebnis

Während einer Reise in die Niederlande mit Anfang 20 hatte ich dann ein wahrhaftiges Aha-Erlebnis. Aus einem der dortigen Coffee-Shops, in denen man legal Cannabis konsumieren kann, stieg mir der Duft einer mir bisher unbekannten Cannabis-Sorte in die Nase: Sativa. Sie weist einen relativ hohen THC und einen geringen CBD-Anteil auf. In meinem Hirn machte es «Klick» und ich wusste: Das ist es, das kann mir helfen. Ich verlangte im Coffee-Shop nach Blüten dieser Sorte und fühlte mich schon nach den ersten Zügen so gut wie selten vorher in meinem Leben. Alles war normal, endlich hatte ich mal keinen Stress.

Weil die Sativa-Sorte in der Schweiz nicht in der Form erhältlich war, wie ich sie brauchte, wurde ich von da an zum Selbstversorger und kultivierte zuhause meine eigenen Sativa-Cannabispflanzen. Bis eines Tages die Polizei vor der Türe stand, meine Wohnung durchsuchte und meine Pflanzen beschlagnahmte.

Mein zweites Cannabis-Aha-Erlebnis

Als Folge meines Hanf-Anbaus musste ich eine Busse zahlen und erhielt einen Strafregistereintrag. Und mir wurde ein verkehrspsychologisches Gutachten aufgebrummt, denn ich fuhr zu dieser Zeit noch regelmässig Auto und Motorrad. Der für mich zuständige psychologische Gutachter wurde stutzig, als er meine Blutwerte sah. Er sagte: «Sie haben einen der höchsten THC-Werte im Blut, der jemals im Kanton gemessen wurde. Aber trotzdem wirken Sie auf mich ganz normal.» Und er formulierte einen Verdacht: «Könnte es sein, dass Sie ADHS haben?» Er verordnete mir weitere Abklärungen und sollte Recht behalten. Ich leide an ADHS. Endlich wusste ich, was ich hatte. Noch heute bin ich dem Verkehrspsychologen dankbar dafür.

Konventionelle ADHS-Therapie abgebrochen

Weniger dankbar war ich, dass ich in der Folge Ritalin verschrieben bekommen habe – das bekannteste, aber auch sehr umstrittene Medikament gegen ADHS. Ab 2018 nahm ich das Präparat ca. 1.5 Jahre lang, sonst hätte ich meinen Fahrausweis nicht behalten dürften. Die Nebenwirkungen waren fürchterlich: Ich bekam z.B. während des Autofahrens plötzlich starkes Herzrasen und musste anhalten. Da frage ich mich: Das soll ein sicheres Medikament sein? Aufgrund der Nebenwirkungen brach ich die Ritalin-Therapie ab und konsumiere seitdem wieder Cannabis, wenn es nötig ist. Die Wirkung setzt jeweils bereits nach wenigen Minuten ein und mein Zustand «normalisiert» sich, ich finde Ruhe.

Neue Freundschaften bei Medcan

Nach Abbruch der Ritalin-Therapie habe ich viele Studien über die Wirkung von Cannabis gelesen. Und ich habe begonnen, mich dafür zu interessieren, ob es in der Schweiz Menschen gibt, die sich ebenfalls mit Cannabis selbst therapieren. So bin ich zum Verein Medcan gekommen. Dort habe ich nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch neue Freundinnen und Freunde gefunden. Die Gemeinschaft und das Wissen, dass ich nicht alleine bin, tun mir sehr gut. Mir ist es ein grosses Anliegen, dass sich die Gesetzgebung bezüglich Cannabis-Konsum für kranke Menschen, die sich selbst mit Cannabis therapieren, schnell ändert. Ideal fände ich offizielle Hanfläden wie es sie in der Schweiz in den 90er Jahren gab: In denen man professionelle Beratung und «sauberes» Cannabis mit geprüften Inhaltsstoffen bekäme. Weil es mir viel zu langsam geht in Bundesbern, schreibe ich regelmässig Briefe ans Bundesamt für Gesundheit (BAG) und auch an den für Gesundheit zuständigen Bundesrat persönlich. Eines ist sicher: Obwohl ich innerlich dank Cannabis viel gelassener bin als früher – in dieser Sache gebe ich nicht so schnell Ruhe.

 

Wissenswertes zu ADHS

  • Etwa drei bis fünf Prozent der Kinder – Jungen deutlich öfter als Mädchen – in der Schweiz haben ADHS.
  • Die Beschwerden können bereits im Vorschul- bis ins Erwachsenenalter auftreten und bleiben bei rund 60% der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen.
  • Die häufigsten ADHS-Symptome sind:
    – Unaufmerksamkeit/leichte Ablenkbarkeit
    – Konzentrationsschwäche/Vergesslichkeit
    – Hyperaktivität
    – Impulsivität wie Wutausbrüche
    – langsame Reaktionen
    – motorische Schwierigkeiten im Kleinkinderalter
  • Für die Betroffenen geht ADHS oft einher mit gesteigerter Reizbarkeit, Depressionen, Aggressivität, Angststörungen und Tic-Störungen.
Was ist ADHS?

Wissenschaftliche Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass bei ADHS-Betroffenen die Signalübermittlung im Gehirn gestört ist. Nach aktuellem Stand der Forschung gelten die folgenden 3 Faktoren als Hauptauslöser für ADHS:

  • genetische Veranlagung
  • erworbene Auslöser wie Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen oder Rauchen und Alkohol während der Schwangerschaft
  • psychosoziale Gegebenheiten

Ein welchem Umfeld betroffene Kinder aufwachsen, verstärkt oder schwächt die Veranlagung. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Ursache für ADHS ein Zusammenspiel aus neurobiologischen (z.T. erblichen) und psychosozialen Faktoren ist.