Skip to main content

Sabi

Jahrgang: 1984
Diagnose: Morbus Charcot-Marie-Tooth (CMT)
«Ich will mich nicht schuldig fühlen, wenn ich mich mit Cannabis therapiere.»
«Dank den CBD-Tropfen habe ich wieder ruhige Nächte.»
Sabi
Patientengeschichten

«Ich habe schon als Kind gespürt, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt,» erzählt Sabi und schmunzelt verschmitzt. «Bereits in jungen Jahren hatte ich immer wieder Schwierigkeiten, meine Hände und Beine zu kontrollieren. Im Wanderlager bildete ich deshalb immer das Schlusslicht. Und im Turnunterricht wurde ich stets als letzte in das Team gewählt.» Doch das lebendige Mädchen lässt sich nicht unterkriegen: «Ich fühlte mich fit, spielte viel Volleyball und besuchte den Sportverein. Denn ich habe es einfach gern gemacht.»

Aber mit zunehmendem Alter verliert Sabi mehr und mehr die Kontrolle über ihren Körper. Ihre Hände und Beine verkrampfen sich immer häufiger. Bereits beim Schreiben verspannt sich ihr Körper so fest, dass es wehtut. Aber am schlimmsten ist es in der Nacht. Dann wird Sabi regelmässig von schmerzhaften Krämpfen heimgesucht. Tagsüber ist sie deshalb angespannt und müde.

«Es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, ich sei einen Marathon gelaufen. Obwohl ich nicht viel gemacht habe.»

Im Alter von 32 Jahren hält es Sabi nicht mehr aus. Nach Empfehlung des Hausarztes lässt sie sich im Muskelzentrum des Kantonsspitals St. Gallen untersuchen. Dort stellt man fest, dass ihre Nervenbahnen doppelt so dick sind, als sie sollten. Und sie die vom Hirn initiierten Impulse sehr langsam weiterleiten. Der Gentest bestätigt dann den Verdacht, dass Sabi am Typ 1a der Erkrankung Morbus Charcot-Marie-Tooth leidet.

Eine ungewisse Zukunft

Sabi hat endlich Klarheit, doch die ist frustrierend. Ihre Krankheit sei nicht heilbar. Im besten Fall stagniert der Krankheitsverlauf irgendwann. Es kann aber auch sein, dass ihre Krämpfe immer schlimmer werden, ihre Muskeln schwinden und Sabi irgendwann nicht mehr aus eigener Kraft gehen kann.

Bereits heute – im Alter von 36 Jahren – haben sich die Muskeln in ihren Daumen stark zurückgebildet. Die Finger blockieren immer wieder und Sabi muss nachhelfen, um sie wieder in Bewegung zu bringen.

Um die nächtlichen Krämpfe vorzubeugen, nimmt Sabi die vom Arzt verschriebenen Tabletten Limptar N ein. Nach einer Recherche zum pharmazeutischen Medikament überkommt sie aber ein ungutes Gefühl: «Ich werde mein Leben lang auf Medikamente angewiesen sein. Für eine so lange Zeit möchte ich nicht täglich Chemie zu mir nehmen. Das ist mein Körper, meine Gesundheit und meine Entscheidung.» Zudem befürchtet Sabi, das Medikament sei zu stark für sie.

Sie sucht nach einer Alternative, mit der sie gezielter auf ihr Leiden reagieren kann und stösst schnell auf Cannabis. Es gäbe ein cannabishaltiges Medikament Namens Sativex, welches legal ist. Doch der bürokratische Aufwand ist Sabi zu gross und die Kosten, welche sie selber übernehmen müsste zu hoch.

Also begibt sie sich eigenständig auf die Suche nach der passenden Cannabis-Behandlung. Gegen die nächtlichen Krämpfe nimmt Sabi heute CBD-Tröpfchen und massiert ihre Waden mit Cannabis-Öl ein. Bei akuten Schmerzen nimmt sie das THC durch Nahrung oder durchs Rauchen zu sich.

Dass sie mit ihrer Cannabis-Therapie auf sich alleine gestellt ist und nicht ärztlich beraten wird, bedauert Sabi. Sie merkt, dass ihre selbst gewählte Dosierung eigentlich zu schwach ist. Traut sich aber nicht, diese selber zu erhöhen. Für diesen Schritt hätte sie gerne eine ärztliche Einschätzung.

Normaler Alltag dank Cannabis

Dank der Cannabis-Therapie kann Sabi ihren Alltag relativ gut meistern. Ihre Lebensfreude teilt sie nicht nur mit den Menschen an ihrem Arbeitsplatz, sondern auch über Instagram mit ihren Followern. Ab und an kann man die junge Frau dort singen hören. Dieses Hobby geniesst Sabi in vollen Zügen. Denn ihr ist bewusst: Durch ihre Krankheit könnten sich auch ihre Stimmbänder zurückbilden.

Ihre Stimme will Sabi nicht nur fürs Singen einsetzen. Sie will sich auch für mehr Akzeptanz gegenüber ihrem Medikament – dem Cannabis – bekunden.

Angst vor Vorurteilen

Denn tagtäglich erlebt die junge Frau, dass der Cannabis-Konsum noch immer ein Tabu-Thema ist. Einer der Gründe dafür hat sie selber zu spüren bekommen: «Mir wurde in der Schule eingetrichtert, dass Cannabis Teufelszeug ist und es einen zum Junkie macht,» erzählt sie.

Obwohl sich Sabis Beziehung zu Cannabis mittlerweile verbessert hat, ist es für sie auch heute noch schwierig, offen zu erzählen, dass sie sich damit therapiert. Sie hat noch immer Angst davor, stigmatisiert zu werden.

Für Sabi ist klar: Mehr Akzeptanz gegenüber dem Cannabis würde ihr und ihrer Gesundheit helfen. «Ich wünsche mir deshalb von den politischen Akteuren, dass sie Patienten und Patientinnen wie mir besser zuhören. Und dass sie sich mit uns gegen die Stigmatisierung dieses Heilmittels einsetzen.»